Kontakt

Überleben im Homeoffice

Mitte März trat der Lockdown in Deutschland in Kraft und damit wurden auch Schulen und Kindergärten geschlossen. Auch die TXS ist ihrer gesellschaftlichen Verpflichtung nachgekommen und hat ihre Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt.

Arbeiten aus dem Homeoffice – wenn die technischen Voraussetzungen geschaffen sind - klingt für manche erst einmal gemütlich. Wenn da nur nicht die geschlossenen Schulen und Kindergärten wären…

Homeoffice kann leider schnell nervenzehrend werden, wenn der Rest der Familie auch zuhause ist und spontan beschließt – während man selbst in einer Videokonferenz ist – schnell mal eben ein paar Löcher in die Wand zu bohren, um die Regale, die schon seit 2 ½ Jahren in der Ecke stehen, anzubringen. Wahlweise wird aber auch der Geschirrspüler in der offenen Küche ausgeräumt oder gefragt, ob und wann es etwas zu essen gibt. Winkt man ab, weil man gerade in der Konferenz zuhören muss, kann es durchaus passieren, dass wenige Minuten später der Rauchmelder Alarm schlägt, weil der sonst so kochferne Ehemann beschlossen hat, irgendwie für das Mittagessen zu sorgen. Öffnet man daraufhin schnell die Terrassentür, um den Rauch abziehen zu lassen, schlägt einem schon der Lärm aus der Nachbarschaft entgegen: Es wird Rasen gemäht, gehämmert, die Flex angeschmissen, der Hochdruckreiniger ausprobiert, das Motorrad aus dem Winterschlaf geholt und knatternd auf dem Hof abgestellt, das Radio eingeschaltet und in das offene Küchenfenster gestellt. Die Nachbarskinder im Kita-Alter fahren auf ihren Rädern die Tour de France ums Haus nach, die Hunde laufen kläffend hinterher. Einen Garten weiter hüpfen die Kinder kreischend auf dem Trampolin, bis sie zusammenstoßen und ein Heulkonzert anstimmen. Wenn dann die eigene Mutter, die gleich nebenan wohnt, um die Ecke schaut und fragt, warum bei uns der Alarm losgegangen ist, hat man endgültig den Faden verloren.

Durchläuft das eigene Kind gerade die Pubertät und handelt es sich um ein männliches Exemplar, kann man davon ausgehen, dass es vormittags keinen Lärm macht und bis ca. 12:00 Uhr schläft, weil es vorher bis 01:00 Uhr online war und PC-Spiele mit den besten Kumpeln gespielt hat. Irgendwo zwischen Aufstehen und Online-Gaming müssen dann von uns Eltern noch die Schulinhalte vermittelt werden. In den ersten beiden Wochen des Lockdown hatte die Schule selbst noch etwas Orientierungsprobleme, so dass ich mich als Mutter großzügig zeigte und bei einigen der übermittelten Aufgaben meinerseits vorschlug, diese in den bevorstehenden Ferien mit dem Sohn durchzugehen. Rückblickend kann ich nur sagen: Nicht nachmachen! Bei dem guten Vorsatz blieb es nämlich, denn durch die vielen Videocalls und sonstigen Abstimmungen war ich zeitlich genauso eingebunden wie sonst. Je näher das Ende der Ferien kam, desto mehr nahm ich mir vor, die liegengebliebenen Schulaufgaben mit meinem Sohn noch anzugehen.

Man kann sich denken, wo das Ganze endete. Ein paar der Aufgaben wurden erledigt und auch die für Englisch geforderte Lektüre besorgt, dafür blieben aber Berge an Bügelwäsche und die Staubkörner in den Regalen liegen. Wenn dann auch noch die 5 Jahre alte Waschmaschine beschließt, dass sie das Schleuderprogramm nur noch gelegentlich durchführt und dafür kein Muster oder Grund zu erkennen ist, das Klopapier und die Nudeln zur Neige gehen, weil man nicht kiloweise gehamstert hat, ist man einem Nervenzusammenbruch nahe. Unter diesen Umständen ist es möglich, dass man im Homeoffice verrückt werden könnte – oder zumindest etwas verrückter als man vorher schon war.

Ja, es ist anstrengend, alles unter einen Hut zu bringen. Und man könnte sicherlich durchdrehen, wenn im Haus gegenüber gerade jetzt die Zeit genutzt wird, um der längst vergessenen Blockflöte eine Renaissance zu bescheren und schon einmal Weihnachtslieder einzustudieren, damit man am Ende des Jahres vielleicht gemeinsam mit Maurice Steger beim Musikantenstadl auftreten kann. Man könnte durchdrehen, muss man aber nicht.

Da helfen entweder gute Ohrenstöpsel, wenn man konzentriert arbeiten möchte, oder die auf ein Blatt Papier geschriebene freundliche Nachricht, die man der Einfachheit halber beim Nachbarn durchs Fenster wirft. Sollte es zu einem Gerichtsverfahren kommen, kann man immer noch auf Unzurechnungsfähigkeit plädieren.

Vielleicht haben Sie es schon gemerkt – mein Arbeitsplatz ist der familiäre Esstisch. Während mein Mann und mein Sohn gut ausgestattete Schreibtische haben, starre ich auf den kleinen Bildschirm des Notebooks. Meine Nacken-Schulter-Partie sehnt sich nach ein paar geübten Therapeuten-Händen. Und der Rest von mir nach einem professionellem Koch sowie einer guten Perle, die unseren Räumlichkeiten zu neuem Glanz verhilft und die Kubikmeter an Bügelwäsche bewältigt.

Um das bezahlen zu können, müsste ich erst einmal bei Günther Jauch ordentlich absahnen. Ich denke aber, mental bin ich auf einem guten Weg dahin. Wenn die „Fernbeschulung“ noch mehrere Wochen oder gar Monate andauern sollte, dann bin ich bald in Themen fit, die ich als Schülerin nie verstanden habe. Indirekte Objektpronomen in Französisch, die Brechung von Lichtstrahlen durch verschiedene Linsen, die Valenzelektronen in der Chemie oder Volumenberechnungen von Prismen unter Berücksichtigung des Zeit-Raum-Kontinuums – mache ich demnächst alles mit links. Und weil der Job und die Schule und ein entspanntes Familienleben Vorrang hat, muss der Staub zwischen den Heizungsrohren eben noch etwas länger dort bleiben, wo er momentan ist.

Manche meiner Kollegen müssen sich mit dem Wickeltisch als Arbeitsplatz begnügen oder bleiben gleich im Bett und arbeiten von dort. Aber das Bett brauche ich vielleicht noch als Rückzugsort zum Weinen, wer weiß.

Nach einigen Wochen im Homeoffice habe ich gelernt, dass es morgens unheimlich hilfreich ist, den Tag mit Aufstehen zu beginnen. Manchmal muss man sich noch entscheiden, welche Jogginghose man heute zur Bluse anzieht und ob es mal wieder ein bisschen Mascara sein darf, weil man vielleicht die Kamera einschalten muss. Ich nehme mir da ein Beispiel an Jan Hofer, der uns gezeigt hat, wie es aussehen würde, wenn er die Tagesschau aus dem Homeoffice moderieren würde. Einfach nur souverän, dieser Mann. Und ja, das Hemd war nicht in der Hose…

Mittlerweile haben wir die verflixte 7. Woche im Homeoffice überlebt. Mein Sohn, der am 19. März einen regulären Friseurtermin gehabt hätte, war irgendwann so verzweifelt, dass er mich am 26. März gebeten hat, ihm die Haare zu schneiden. Meine Bedenken hatte er zerstreut, indem er mich darauf hinwies, dass das ja mit dem Haarschneider gar kein Problem sei. Es ging so lange gut, bis ich vergaß, den Aufsatz wieder aufzusetzen, nachdem er sich nach dem ersten Durchgang im Spiegel angeschaut hatte und noch eine „kleine Korrektur an den Ohren“ wünschte. Versehentlich rasierte ich am rechten Ohr nach oben – und fing selbst fast an zu weinen. Aber anstatt völlig auszurasten, reagierte der Vierzehnjährige sehr cool – er lachte, nahm mich in den Arm und meinte, die Schule wäre ja ohnehin geschlossen, die Haare werden wohl bald wieder nachgewachsen sein. Nun meldete sich gestern der Friseursalon und bot für die kommende Woche einen Termin an. Ich bin froh, dass sich jetzt jemand professionell um die Spurenbeseitigung meines Versagens kümmert.

Nach den Ferien hatte die Schule einen Quantensprung ins digitale Jahrhundert gemacht. Das bedeutet jetzt, dass die Lehrer Videokonferenzen anbieten und alle Aufgaben in ein digitales Klassenbuch einstellen. Mittlerweile bin ich dazu übergegangen, die angekündigten Videokonferenzen auch in meinen Bürokalender einzutragen, so dass ich einen guten Überblick habe, was wann läuft. Und ich mache die Ansage, dass die eingestellten Aufgaben auch bis zu dem Tag erledigt werden, der im digitalen Klassenbuch eingetragen wurde. Liegengebliebenes wird sukzessive nachgearbeitet. Aber erst nach Feierabend.

Ach ja, das ist auch so eine Sache am Homeoffice. Man freut sich darauf, Feierabend zu machen und nach Hause zu gehen, nur um dann festzustellen, dass man nicht nach Hause gehen kann, weil man ja schon zuhause ist. So kann es passieren, dass man gefühlt keinen Feierabend macht, weil man nahtlos in den Job des Lehrers wechselt. 

Egal, wir haben wieder einen Tag Homeoffice und Homeschooling rumbekommen, ohne völlig durchzudrehen, und das ist in Zeiten wie diesen schon einiges…

Daniela

Nehmen Sie Kontakt zu TXS auf

Wählen Sie das Thema, das Sie interessiert:

oder schreiben Sie uns eine kurze Nachricht mit Ihrer Anfrage:

Wonach suchen Sie?

Suchergebnisse beschränken auf: